Deutschland ist das neue Paradies. So meint zumindest die CDU.
Erster Teil der Moritat.

Sehr verehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,

in den letzten Tagen empörte man sich über den Tweet des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber (sinngemäß): „Wer etwas Ordentliches gelernt hat, der braucht keine drei Minijobs.“ Ich bin der Ansicht, dass an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden muss, wie realitätsfern und dem Bürger entrückt man sein muss, um – wahrscheinlich unüberlegt, also „von Herzen“ – eine derartige Aussage zu formulieren. Sie spricht wahrlich für sich.

Nun könnte man wohlwollend davon ausgehen, dass dies eine unglücklich formulierte „Einzelmeinung“ sei. Weit gefehlt, meine Damen und Herren. Ein Blick ins aktuelle Regierungsprogramm der Unionsparteien CDU / CSU offenbart eine Sicht der Dinge, die man tatsächlich bizarr oder aber skurril nennen muss. Eine Weltsicht vor allem, die für die Zukunft nichts Gutes erahnen lässt, zeigt sie doch das vollständige Fehlen oder Ausblenden der Lebenswirklichkeit hart arbeitender deutscher Bürger.

Ohne hier und heute programmatisch ins Detail zu gehen, hier nur einige Zitate aus diesem Regierungsprogramm:

– „Der großen Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger ging es noch nie so gut wie heute.“

– „Es gibt in Deutschland mehr Beschäftigung als je zuvor.“

– „Löhne und Renten sind deutlich gestiegen und steigen weiter. Die sozialen Sicherungssysteme sind solide finanziert, wie seit Jahrzehnten nicht mehr.“

– Wir haben in Deutschland ein hohes Maß an innerer und äußerer Sicherheit. Deshalb können wir frei und selbstbestimmt leben.“

Wer angesichts dieser Zeilen bereits seinen Kragen lockert und sich fragt, ob diesen Beschreibungen nur eine Bewertung der „oberen 10.000“ des Landes zugrunde liegt, der wird sofort belehrt: „Diese Erfolge

[…] kommen allen zugute, gerade auch den unteren und mittleren Einkommen.“ – PATSCH – diese Ohrfeige sitzt gründlich. Man fragt sich, warum in diesem wahren Schlaraffenland überhaupt irgendjemand drei Minijobs benötigt? Die Erklärung kennen wir offenbar aus dem eingangs erwähnten Zitat.

Doch die „Unions-Utopisten“ laufen sich gerade erst warm, suhlen sich ohne Scham weiter hemmungslos in der Beschreibung paradiesischer Zustände des bundesdeutschen Gartens Eden. Mokieren wir uns aktuell über zuverlässig wiederkehrende, milde (Bewährungs-) Urteile für leider psychisch beeinträchtigte Einzeltäter aus den Reihen derer, die noch nicht so lange hier leben, lesen wir im vorliegenden Programm von „funktionierender Rechtsstaatlichkeit“. Merkels Alleingänge wollen wir mit diesem Begriff schon gar nicht zusammenbringen.

Ärgern wir uns über die allgegenwärtige Ausgrenzung, Diffamierung und Blockade unserer Alternative für Deutschland in Gesellschaft, Medien und Politik, so lesen wir von „gefestigter Demokratie“. Das Wort „gefestigt“ in diesem Zusammenhang lässt dem wahren Demokraten beinahe einen kalten Schauer über den Rücken laufen.

Immerhin wird eingesehen, dass all diese – natürlich von der Union zu verantwortenden Erfolge – von den Bürgern dieses Landes hart erarbeitet wurde und wird. Alleine der Schlussfolgerung der ekstatisch entrückten Autoren besagten Regierungsprogrammes vermag ich nicht zu folgen: „Heute leben wir im schönsten und besten Deutschland, das wir je hatten – trotz aller Krisen und Anfechtungen, die es anderswo gibt.“ Liebe Leser, sind Sie ebenfalls der Ansicht, dass wir im „schönsten und besten“ Deutschland aller Zeiten leben?

Nun, nachdem man sich selbst derart gelobhudelt hat, darf natürlich der Fingerzeig auf den Rest der Welt nicht fehlen. Kriege, Instabilität und Ungewissheit, fehlende Akzeptanz und Umsetzung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Presse- und Meinungsfreiheit, Bedrohung am Leben von Millionen Menschen – das sind die aktuellen Lebensbedingungen in vielen Ländern dieser Erde, die nicht zuletzt zu nie dagewesenen Zahlen an Flüchtlingen weltweit führen. Zu Recht wird konstatiert: „Die Welt scheint aus den Fugen zu geraten, die internationalen Unsicherheiten nehmen eher zu, als ab.“

Nachdem sich in diesem einleitenden Teil der Regierungserklärung eine merkwürdig verzerrt anmutende Beschreibung der Lebensrealität deutscher Bürger offenbart, ahnt man im weiterführenden Text bereits die Auswirkungen dieser Schieflage: Deutschlands Aufgabe sei es, ein Stabilitätsanker in der Welt zu sein. Auf Deutschland UND Europa könne man sich als Partner verlassen, versprechen die Unions-Autoren. Nach einem offenbar unverzichtbaren Seitenhieb auf „linke und rechte Populisten […], die unsere demokratischen Institutionen und unsere freie Presse diffamieren und versuchen, unser Land zu spalten“ bedürfe es des Einstehens aller „für Demokratie, Freiheit, Menschenrechte, Rechtsstaat und Europa. Über Parteigrenzen und parteipolitische Interessen hinweg.“

Meine Damen und Herren, ich verstehe unsere AfD exakt als Partei in diesem soeben beschriebenen Sinne. Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Die AfD ist derzeit wohl die einzige Partei in diesem Sinne. Es gibt offenbar eklatante Unterschiede in der Wahrnehmung deutscher Lebenswirklichkeiten zwischen uns als AfD und den Autoren dieser Erklärung.

Rentner, die Pfandflaschen sammeln (müssen); Hartz IV´ler, deren Leben bis ins Detail reguliert und kontrolliert wird im Gegensatz zu Rundum-Sorglos-Paketen „jüngst Zugereister“; Unsummen an Steuergeldern, die in den vergangenen Jahrzehnten offenbar wirkungslos in aller Herren Länder verteilt wurden, stetes Aufweichen und Abgabe deutscher, demokratischer Souveränität nach Brüssel sind nur einige wenige Beispiele, die nicht in das hier offenbarte Weltbild passen wollen.

Wir als AfD halten es für unsere vornehmste und erste Pflicht, die hier massiv zutage tretende, spürbar auseinanderklaffende Schere zwischen unserer (selbstverständlichen) Verantwortung in einer zunehmend globalisierten Welt und unserer Verantwortung für den deutschen Bürger zu thematisieren, öffentlich zu diskutieren und nach bestem Wissen und Gewissen auch und gerade im Sinne deutscher Minijobber wieder zu schließen. Wir stehen auf dem Boden der Tatsachen und werden bald als Opposition im Deutschen Bundestag alles daran setzen, auch die Unionsparteien wieder zu erden.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Martin E. Renner