von Dr. Jörg Himmelreich
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Hauptsacheverfahren zum ESM (Europäischem Stabilitätsmechanismus) den EuGH angerufen. In dieser Vorlage an den EuGH geht es um die entscheidende Frage, ob der Beschluss der EZB vom 6.September 2012 Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten notfalls unbegrenzt aufzukaufen, um deren Liquidität dauerhaft zu gewährleisten (OMT-Beschluss), noch mit dem Mandat der EZB und dem Recht der Europäischen Verträge vereinbar ist.
Die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht für ein eigenes Urteil Teilfragen des Verfahrens dem EuGH vorlegt, ist historisch einmalig. Was indessen mancher Laie voreilig als Verzicht bundesdeutscher Verfassungsrechtsprechung zugunsten des europafreundlichen EuGH fehl deutet, ist tatsächlich eine geschickte diplomatische Geste des deutschen Gerichts ohne jede Aufgabe eigener Zuständigkeit.
Unmissverständlich erklärt nämlich das BVerfG, dass – „ gewichtige Gründe dafür sprechen, dass“ – dieser OMT-Beschluss der EZB über deren Mandat hinausgeht und gegen das in den europäischen Verträgen verankerte Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung verstößt. Vor allem unterstreicht das BVerfG, dass es auch dafür zuständig ist, diese Rechtsfrage zu entscheiden. Denn alle Zuständigkeiten, die die einzelnen Euro-Staaten nicht der EZB übertragen haben, verbleiben in der verfassungsrechtlich gesicherten souveränen Zuständigkeit des einzelnen Euro-Mitgliedsstaats. Mit einem Überschreiten ihres Mandats reißt sich die EZB danach Zuständigkeiten unter den Nagel, die sie überhaupt nicht besitzt und verletzt damit die originäre, durch das Grundgesetz gesicherte Zuständigkeit der Bundesrepublik. Über eine solche Verletzung des GG durch die EZB zu urteilen, obliegt alleine dem BVerfG.
Nachdem das BVerfG all diese roten Linien dem EuGH aufgezeigt hat, fragt es nun sehr geschickt den EuGH, ob der sich denn nicht von sich aus zu einer Einschränkung des OMT-Programms der EZB verstehen könnte. Dadurch vermeidet das BVerfG klugerweise, sich dem Verdacht eines „deutschen Sonderwegs“ auszusetzen. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass auch nur irgendeine Beschränkung des OMT-Programms dessen eigentlichen Sinn zerstört, nämlich das Signal uneingeschränkten Vertrauens an alle Investoren, dass die EZB immer und unbegrenzt solche Staatsanleihen aufkauft, wie bankrott der die Anleihe begebende Staat auch immer sein möge. Eine solche Beschränkung vertreibt natürlich die Investoren, weil sie nie wissen, wann denn nun die Grenze für die EZB erreicht ist. Damit hat das BVerfG faktisch schon jetzt das OMT-Programm erledigt, bevor die EZB überhaupt begonnen hat dieses umzusetzen.
Schon jetzt kommt dieser Vorlagebeschluss einer schallenden Ohrfeige für die etablierten Abnickvereine CDU, SPD, FDP und Grüne gleich, die alle im Bundestag seinerzeit mit der Zustimmung zum ESM diesem Programm der EZB ihren politischen Segen gegeben haben und die EZB dankbar haben gewähren lassen. Die Kritik der AfD an der EZB wegen der rechtswidrigen Überschreitung ihres Mandats bestätigt das BVerfG bereits durch diesen Beschluss eindrucksvoll. Es ist das erste Mal, dass das BVerfG eine solche gravierende Verletzung der deutschen Verfassung durch die Kompetenzüberschreitung europäischer Organe rügt; auch das ist historisch einmalig. Das Gejammer der deutschen Integrationsfanatiker über diesen Beschluss zeigt nur an wie tief der Frust über dieses Urteil des BVerfG sitzt.
Spannend ist die Frage, welche Handlungspflichten nun das BVerfG in seinem endgültigen Urteil der deutschen Bundesregierung auferlegen wird, solche Kompetenzüberschreitungen in Zukunft zu verhindern. Eines ist klar: Die etablierten Parteien, die jetzt auch nach der Auffassung des BVerfG die Mandatsüberschreitung der EZB tatenlos und wohlwollend billigten, haben sich an der deutschen Verfassung, an der deutschen Rechtsstaatlichkeit und an der deutschen Demokratie vergangen. Die AfD hat mir ihrer kritischen Haltung recht!