Immer wieder werden Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen laut. Grüne und SPD wollen damit Hartz IV ablösen. Das wäre aber nicht nur schwer bis gar nicht finanzierbar. Und es würde schwerste gesellschaftliche Verwerfungen verursachen. Eine Kolumne von Christian Loose.

SPD-Chefin Andrea Nahles forderte im November in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ein weitgehend sanktionsloses Bürgergeld. Nur kurz zuvor hatte der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck eine Garantiesicherung gefordert. Beiden Konzepten liegt die Idee eines weitgehend bedingungslosen Grundeinkommens zu Grunde. So soll es laut Habeck nicht mehr sanktioniert werden, wenn Arbeitslose nicht mehr mit dem Jobcenter zusammenarbeiten.

Ein häufig vorgebrachtes Argument für ein bedingungsloses Grundeinkommen ist die Entlastung der Behörden von Bürokratie. Kein Anspruchsberechtigter muss mehr Formulare ausfüllen. Womit auch kein Beamter mehr die entsprechenden Formulare prüfen muss.

Behördenentlastung als Scheinargument

Dieses Argument ist aber nur ein Scheinargument. Denn das ließe sich für zahlreiche Beispiele des Lebens anführen: Warum müssen die Behörden in Deutschland überhaupt noch irgendetwas prüfen? Warum darf ich mein Einkommen nicht selbst schätzen und dem Finanzamt mitteilen, was ich gerne an Steuern zahlen möchte? Warum müssen die Behörden prüfen, ob das Restaurant Ihres Vertrauens auch alle Hygienevorschriften erfüllt? Der Wegfall von Bürokratie darf also nur ein Begleitargument sein, aber nicht zum Hauptargument verfallen.

Manchmal kommt von Befürwortern des bedingungslosen Grundeinkommens auch das Argument, dass kein Bürger dem Staat Rechenschaft schuldig sei und sich nicht durchleuchten lassen müsse. Dieses Argument könnte man theoretisch gelten lassen. Aber wieso sollte die Gemeinschaft dann gegenüber diesen Staatsbürgern verpflichtet sein? Denn letztlich ist es nicht ein anonymer Staat, der das bedingungslose Grundeinkommen zur Verfügung stellt, sondern eine Solidargemeinschaft. Man kann es dem Bürger, der Geld vom „Staat“ haben möchte, also auch durchaus zumuten, sich diesem Staat – also der Solidargemeinschaft – zu offenbaren.

Malocher werden vor den Kopf gestoßen

Durch ein bedingungsloses Grundeinkommen würden sich gerade Geringverdiener, die sich und ihre Familie mit ihrer Arbeit selbst über Wasser halten, vor den Kopf gestoßen fühlen. Wie sollen wir diesen hart arbeitenden Menschen erklären, dass es richtig ist, jeden Morgen aufzustehen, um sich den Lohn für die Familie zu verdienen? Ein zu hohes bedingungsloses Grundeinkommen würde im Niedriglohnsektor bedeuten, dass kein zwingender Anreiz mehr bestünde, in ein Arbeitsverhältnis einzusteigen.

Der Skrupellose hingegen kann von einem bedingungslosen Grundeinkommen sorgenfrei leben. Und mit ein wenig Schwarzarbeit hat er dann vielleicht noch mehr als der Malocher, der sich krumm buckelt. Aber wer macht dann noch die kraftzehrenden und vielleicht lästigen Jobs? Warum sollte man solche beschwerlichen Arbeiten auf sich nehmen, wenn man auch ohne Arbeit ausreichend Geld vom Staat kommt?

Das bedingungslose Grundeinkommen würde damit wie eine Frührente wirken, nur ohne jemals in die Rentenkasse eingezahlt zu haben. Und damit führt es zu sozialen Spannungen und gesellschaftlichen Verwerfungen gerade bei den Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten.

Finanzierung würde Sozialstaat überfordern

Finanziert werden müsste ein bedingungsloses Grundeinkommen wohl aus Sozialabgaben und Steuern. Unser bisheriges Sozialsystem basiert auf der Solidarität der Bürger, im Falle von Arbeitslosigkeit den Lebenserhalt zu sichern und am Ende des Arbeitslebens den Ruhestand zu genießen. Die Suche nach einer neuen Beschäftigung gehört zu diesem gesellschaftlichen Pakt selbstverständlich dazu. Wer nach Erhalt des Arbeitslosengeldes keine neue Stelle gefunden hat, muss mit der Grundversorgung in Form von Hartz IV auskommen. Und er ist auch verpflichtet, deutliche Anstrengungen zu unternehmen, um wieder selbst ein Teil der Gemeinschaft zu werden, die diesen Solidarpakt finanzieren.

Ein Grundeinkommen, das bedingungslos gezahlt wird, würde die Anzahl der Leistungsempfänger aber deutlich erhöhen. Die Zahl derjenigen, die dann noch ins Steuer- oder Sozialsystem einzahlen, würde hingegen immer kleiner werden. Viele Menschen im Niedriglohnsektor würden sich dann weigern, Arbeit anzunehmen. Diejenigen, die Spitzengehälter verdienen, würden sich überlegen, ob eine Auswanderung nicht der bessere Weg ist. Noch sind die Chancen für Deutsche gut, im Ausland – nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben – zu besseren Konditionen Arbeit zu finden. Was bleibt, ist die Mittelschicht, die nicht abwandern kann. Die Mittelschicht wird aber bereits jetzt wie eine Zitrone vom Staat ausgepresst.

Außerdem würde ein bedingungsloses Grundeinkommen eine weitere Sogwirkung für eine Armutszuwanderung entfalten. Damit würden zu den bereits vorhandenen deutschen Leistungsempfängern weitere aus dem Ausland hinzukommen. Und da eine Begrenzung dieser Zuwanderung von der Bundesregierung nicht gewünscht ist, würde der Sozialstaat schnell vor einem Kollaps stehen.

Negative Einkommenssteuer statt Träumereien

Würde man gerade den Malochern im Niedriglohnsektor helfen wollen, gäbe es dafür eine einfache und einleuchtende Lösung: Jeder Arbeiter erhält pro Arbeitsstunde eine Steuergutschrift von zwei Euro ausbezahlt – als sogenannte negative Einkommenssteuer. Damit hätte ein Vollzeitarbeitnehmer mit einem ungefähren Arbeitsvolumen von 160 Stunden pro Monat netto 320 Euro mehr in der Geldbörse. Das wäre eine echte Wertschätzung für all die Menschen, die jeden Tag für uns aufstehen, um zur Arbeit zu fahren.

Das bedingungslose Grundeinkommen aber ist ein sozialistischer Wunschtraum, eine Utopie. Es ist nichts anderes als die maximalpopulistische Forderung nach „Freibier für alle“, aber ohne die wahre Rechnung aufzumachen. Denn irgendwer muss immer am Ende bezahlen und dann heißt es wieder frei nach Margaret Thatcher: „Das Problem des Sozialismus ist, dass ihm am Ende das Geld anderer Leute ausgeht.“

Es grüßt Sie herzlich,

Ihr Christian Loose MdL