Karsten Klupsch, AK-Außenpolitik

Die Modernisierung und innerstaatliche Stabilität Russlands ist von besonderem Interesse für Deutschland und die EU. Wegen der geographischen Nähe und Größe und der engen Wirtschaftsbeziehungen mit Russland ist ein gutes und nachbarschaftliches Verhältnis von großer Bedeutung für Deutschland und Europa. Dabei hat die Bundesrepublik wegen der Jahrhunderte  alten, wechselhaften und besonderen deutsch-russischen Beziehungen auch eine hervorgehobene Verantwortung diese, zusammen mit seinen EU-Partnern, zu gestalten.

Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland ist allerdings nur der aktuellste und jüngste Beleg dafür, dass Russland anstelle einer friedlichen Modernisierung eine längst überwunden geglaubte Politik des 19. Jahrhunderts verfolgt. Russland stützt sich gegenüber der Ukraine und anderen Anrainerstaaten auf  Gewalt und militärische Macht.

In der heutigen Ukraine in Kiew ist einst das Reich der Rus entstanden; das begründet ein enges historische Verhältnis der Ukraine, insbesondere der östlichen Teile und der Krim zu Russland. Ebenso ist in den östlichen Teilen der Ukraine und insbesondere auf der Krim die jetzige Bevölkerung in der Mehrheit russisch-sprachig. Der KPdSU Generalsekretär der ehemaligen Sowjetunion und Ukrainer Chruschtschow hatte 1954 die Krim von der Russischen Sowjetrepublik auf die Ukrainische Sowjetrepublik übertragen. Nach der Auflösung der Sowjetunion hatten die USA, Großbritannien und die Russische Föderation 1994 die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine anerkannt.

Im Unterschied zum Kosovo-Einsatz der NATO 1999 gab es auf der Krim keine jahrelangen Bürgerkriege wie in  dem  zerfallenden Jugoslawien. Der von Russland heute vorgetragene Grund eines Schutzes der russisch-sprachlichen Bevölkerung  ist nur ein offensichtlich vorgeschoben Grund, um die Annexion  der Krim als Folge einer angeblich berechtigten „humanitären Intervention“ zu legitimieren. Denn es gibt keinerlei Anzeichen einer wirklichen Bedrohung oder Diskriminierung dieses Bevölkerungsteils. Die einmal beabsichtigte Abschaffung der russischen Sprache als Amtssprache war zwar eine absolut unnötige und unsensible Aktion der ukrainischen Regierung, wird aber jetzt nicht weiter verfolgt.

 

Oft wird argumentiert, Russland fühle sich infolge einer „Einkreisung“ durch die NATO bedroht. Subjektiv kann dies durchaus der Fall sein, objektiv aber nicht.

Auch ist festzuhalten ist, dass die Ukraine nicht Mitglied der NATO ist, sondern seit 1998 nur in dem Programm „Partnerschaft für den Frieden“ mit ihr kooperiert. Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine sollte unter den obwaltenden Umständen nicht angestrebt werden.

Unter welchen Umständen auch immer die Krim zur Ukraine gekommen ist, so ist trotz allem die Krim jetzt ein Bestandteil des souveränen Staates Ukraine. Die Annexion der Krim durch ein Referendum, das nur die Form der Annexion zur Wahl stellte, sowie die angedrohte Einmischung in Regionen der östlichen und südlichen Ukraine sind flagrante Verletzungen des geltenden und auch von Russland generell anerkannten Völkerrechts.

Das teilweise vorgebrachte Argument, dass die Ukraine zum „Einflussbereich“ Russlands gehöre und deswegen die Handlungen Russlands „berechtigt“ seien, ist unannehmbar. Es stellt das geltende Völkerrecht zur Disposition und lädt Russland und andere Staaten zu zukünftigen Aggressionen ein.

Welche politischen Handlungsmöglichkeiten haben die EU und die USA ?

Militärische Gegenmaßnahmen scheiden zum jetzigen Zeitpunkt aus; die Ukraine ist kein NATO-Mitglied und sollte auch nicht wie ein solches behandelt werden. Solche Maßnahmen kommen  allerdings  in Frage, wenn ein NATO-Mitglieder (Polen, baltische Staaten) tatsächlich bedroht werden sollte.

Als mögliche Reaktionen kommen persönliche Sanktionen gegen verantwortliche Einzelpersonen (Einreisesperren, Sperre von Vermögensgegenständen etc.) oder auch wirtschaftliche Sanktionen (Handelssperren in jeglichem Ausmaß in Frage.

Sanktionen betreffen aber nicht nur Russland, sondern würden auch Gegen-Sanktionen von Russland bewirken und sich damit auf die westliche Seite selbst auswirken. Abgesehen von der politischen Wirkung ist deshalb auch zu bewerten, wen solche Sanktionen kurz- oder langfristig mehr schaden; wer sie sich eher „erlauben“ kann. Langfristig würden die Sanktionen Russland stärker unter Druck setzen, da die Einkünfte aus Rohstoff-Exporten (insbes, Öl und Gas) gut die Hälfte des russischen Staatshaushaltes ausmachen. Ausfallende Öllieferungen (für Deutschland allein 1/3 des Bedarfes) können aus dem freien Weltmarkt ausgeglichen werden. Die Gasimporte (für Deutschland allein 35 bis 40 % des Bedarfes) sind etwas gravierender, aber angesichts des milden und zu Ende gehenden Winters und gefüllter Gasspeicher wäre auch das kein unüberwindliches Hindernis. So hält z.B. auch der Präsident des BDI Ulrich Grillo die Auswirkungen von Sanktionen auf Deutschland für beherrschbar.

Allerdings sollte die gegenwärtige Lage zum Anlass genommen werden, dringend die transeuropäischen Gasleitungsnetze auszubauen und auch weitere Gasterminals für Gastankschiffe (Flüssiggas, LNG) zu bauen, um in der Gasversorgung der EU weniger abhängig von Russland zu werden.

Bei den Erwägungen, ob und welche Sanktionen ergriffen werden sollen, muss auch berücksichtigt werden, welches Vorbild und welche Anreize das jetzige Handeln  für andere Krisenregionen bietet; das gilt vor allem für andere Russland benachbarte Krisenregionen wie Transnistrien in Moldawien  und Abchasien und Süd-Ossetien in Georgien, aber auch gegenüber China und dessen Machtanspruch im Süd- und Ostchinesischen Meer gegenüber Japan, Philippinen, Vietnam u.a.

Vorschlag für Handlung :

Der AK Außenpolitik NRW fordert  daher, dass Sanktionen ergriffen und beibehalten werden, jedoch sollte, soweit möglich, jede Eskalation vermieden und die Gespräche nicht abgebrochen werden.

Um glaubhaft zu machen, dass die westliche Seite nicht gewillt ist, die augenblickliche Situation hinzunehmen, sollten die jetzigen leichteren Sanktionen gegebenenfalls stufenweise verschärft werden. Dabei sollten die Sanktionen zwar insgesamt angekündigt, aber in ihrer Stufenfolge nicht absehbar für Russland sein.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die EU und die USA weiterhin einheitlich vorgehen und dass es Russland nicht gelingt, einen Keil zwischen die Beteiligten zu treiben.

Um die Problemlage nicht unnötig zu verschärfen, sollte, wenn immer möglich, dafür gesorgt werden, dass Russland bei den Verhandlungen sein „Gesicht wahren“ kann, ohne dass allerdings an der Entschlossenheit der westlichen Seite Zweifel aufkommen dürfen.

Das vorgeschlagene Vorgehen ist sicher nicht risikolos, es ist eine Gratwanderung zwischen Druck auf Russland durch Sanktionen und fortdauernder Gesprächsbereitschaft; eine

leichter durchführbare und gleichzeitig realistische Vorgehensweise ist aber unseres Erachtens nicht ersichtlich.

Für den

Arbeitskreis Außenpolitik

Alternative für Deutschland NRW

Karsten  Klupsch

Sprecher des Arbeitskreises