Die Wahl der Waffen

Weit über 100 Funktionsträger und Mitglieder aus ganz NRW folgten letzten Sonntag der Einladung des Landesvorstands zur Informations- und Diskussionsveranstaltung rund um das Thema „mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz“ in die Stadthalle Troisdorf. Rechtsanwalt Klaus Wichmann, stellvertretender Landessprecher der AfD Niedersachsen, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD Fraktion im Landtag Niedersachen und vor allem ausgewiesener Fachmann für dieses komplexe Sachgebiet, zeigte in seinem knapp zweistündigen Vortrag die rechtlichen Grundlagen, möglichen Konsequenzen und vor allem die relativ einfachen Wege auf, die Partei vor dieser existenzbedrohenden Maßnahme bewahren zu können.

Wie Landessprecher Thomas Röckemann einleitend darlegte, bewegt die Frage einer VS-Beobachtung die Parteimitglieder auch deshalb so stark, weil die AfD aus einer Bürgerbewegung zur Bewahrung des Rechtsstaates und Rückkehr zu „Gesetz und Ordnung“ entstand. Schon ihr Name verweist auf den Protest gegen die angeblich alternativlose und rechtswidrige Euro-Rettung, und ihre Kritik an der Einwanderungspolitik – das zentrale Feld drohender VS-Beobachtung – fordert nichts anderes als die Einhaltung nationaler und europäischer Gesetze und Regeln. Ausgerechnet wir sollen nun als potentielle Feinde der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung (FDGO) ins Visier des Verfassungsschutzes geraten? Kann man das mit einer in allen Landtagen und dem Bundestag vertretenen Partei überhaupt noch machen?

Ja, man kann und wird – wenn wir es zulassen. Anhand des Schicksals der Partei „Die Republikaner“, die durch die 1992 veranlasste VS-Beobachtung buchstäblich pulverisiert wurde, zeigte Wichmann, wie skrupellos seinerzeit diese wohl schärfste Waffe gegen einen politischen Wettbewerber eingesetzt wurde. Heute ist diese Waffe sogar noch schärfer geworden, denn aufgrund einer Grundgesetzänderung diesen Jahres könnte die AfD bei VS-Beobachtung aus der Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden – das bedeutete das Ende der Wahlkampfkostenerstattung, der staatlichen Bezuschussung von Spenden sowie der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Mitgliedsbeiträgen und Spenden.

Ansatzpunkt Menschenwürde

Rechtsgrundlage einer VS-Beobachtung ist der Nachweis von Bestrebungen gegen die FDGO. Konkrete Ansatzpunkte unserer Gegner sind dabei Verstöße gegen Artikel 1 Absatz 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Wenn man diese auch nur indirekt für eine Menschengruppe in Frage stellt, ist man als AfD-Mitglied ein möglicher Verfassungsfreind. Man muss also nicht ausdrücklich sagen „Linkshänder haben keinen Anspruch auf Menschenwürde“, es reicht der Satz „Linkshänder sind minderwertig“. Denn – und das war für die meisten Zuhörer überraschend – bei Parteimitgliedern wird unterstellt, dass sie solchen Worten auch Taten folgen lassen wollen. Mögen Diffamierungen von Linkshändern bei Otto Normalbürger noch unter die Meinungsfreiheit fallen, so können sie bei AfDlern als „aktive Bestrebung“ und damit ggf. als Aktivität zur Abschaffung der FDGO interpretiert werden. Denn „politische Parteien sind Organisationen, die wesensmäßig auf politische Aktivität und eine Änderung der politischen Verhältnisse ausgerichtet sind. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass Äußerungen dieser Partei mit der Intention zu einer entsprechenden Änderung der realen Verhältnisse abgegeben werden.“ (BVerwGE 137, 275 Rn 61).

Kollektivhaftung live

Wer meint, sich nun beruhigt zurücklehnen zu können, weil nur die wenigen in allen Parteien vorhandenen Narren Linkshänder pauschal diffamieren, nicht jedoch die Partei als Organisation bzw. deren offizielle Amts- und Mandatsträger, unterliegt einem folgenschweren Irrtum. Denn nicht nur alles, was jedes Parteimitglied äußert oder postet, kann als Äußerung der Partei eingeordnet werden, sondern auch alles, was völlig Parteifremde bspw. in einer AfD-Facebookgruppe schreiben. Bleiben Hasspostings gegen Linkshänder in Facebook oder WhattsApp ungelöscht und unkommentiert stehen, könnten sie als Belege für die Verfassungsfeindlichkeit der gesamten Partei gelten. Wichmann empfahl deshalb nachdrücklich auch die rückwirkende Prüfung aller Accounts der Partei.

Ende der Meinungsfreiheit für AfDler?

Wichmann gelang es, auch auf diese emotional besetze Frage klare Antworten und vor allem Handlungsorientierungen zu geben: Selbst verständlich können alle Parteimitglieder nach wie vor ihre Meinung äußern – sofern sie dabei auf dem Boden unserer Gesetze und unseres Parteiprogramms bleiben. Und in diesem Parteiprogramm finden sich nirgendwo pauschale Herabsetzungen von Menschengruppen. Auch unsere Kritik an der Asylpolitik richtet sich nicht gegen die Asylsuchenden als Kollektiv, sondern weist lediglich auf Probleme hin, die Teilgruppen der Asylsuchenden zugeordnet werden können. Wer behauptet, „alles Asylanten sind kriminell“, fällt ein falsches und die Menschenwürde verletztendes Urteil, das in der AfD nichts zu suchen hat. Wer darauf hinweist, dass in der Polizeilichen Kriminalstatistik überproportional viele Asylsuchende verzeichnet sind, macht eine belegbare und zulässige Sachaussage. Ergo: Differenzieren statt pauschalieren!

Auch die These einer „Sprachpolizei“ ist unsinnig. Ja, es gibt Ausdrücke bezüglich Menschen und Menschengruppen, die bösartig, diffamierend, beleidigend sind – aber die sollten sich ohnehin verbieten, egal ob sie aus der AfD kommen oder nicht. Und es gibt neutrale Begriffe, die durch den Kontext als verfassungsfeindlich interpretiert werden könnten – bspw. „Systemwechsel“. Selbst verständlich ist damit die Abwahl des „Systems Merkel“ im Rahmen eines demokratischen Prozesses und nicht die Abschaffung der Demokratie gemeint. Aber der VS benutzt dieses Schlagwort als Indiz für Bestrebungen, die FDGO abschaffen zu wollen. Das ist zwar absurd, aber nach geltender Rechtslage möglich.

Unsere Waffe

Wer meint, dass mehr (Selbst-)Kontrolle angesichts angedrohter VS-Beobachtung einem demütigen Ducken, Verleugnen und Anpassen entspricht, unterschätzt das programmatische, intellektuelle und politische Potential unseres Programms und unserer Partei. Stärke und Erfolg der AfD basieren nicht auf enthemmten, emotionalen und potentiell verletzenden Äußerungen über andere Menschen. So verständlich Wut und Ungeduld mitunter sind, damit ändern wir unser Deutschland nicht. Unsere Waffe ist „Mut zur Wahrheit“, also beharrliche, sachbezogene, objektivierbare Kritik. Diese Klugheit und Selbstdisziplin sollte uns unser Land wert sein.

Es grüßt Sie herzlich,

Renate Zillessen

 

Eine Zusammenfassung des Vortrags von Klaus Wichmann zur möglichen Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz steht in Kürze als Download zur Verfügung.