Dr. Hermann Behrendt

Kanzlerin Merkel  wird in diesen Tagen 60 Jahre alt und ist auf der Höhe ihrer Macht. Umfragen zufolge sind  71 % der Deutschen mit ihrer Regierungschefin zufrieden. Merkel gilt als mächtigste Frau Europas. Was liegt  für Merkel näher als sich selbst zu fragen: Kommt da noch was?

In den Medien werden Gerüchte kolportiert, Merkel werde nicht bis zum Ende der Legislaturperiode Kanzlerin bleiben. Ihr werden Ambitionen auf das Amt einer EU-Ratspräsidentin oder einer UN-Generalsekretärin nachgesagt. Abwegig sind derartige Spekulationen nicht. Bei näherem Hinschauen gewinnen diese Überlegungen sogar an Wahrscheinlichkeit.

Zunächst ist bemerkenswert, daß Merkel Wechselgerüchte nicht kategorisch dementiert hat. Es entspricht ihrem Stil, die Reaktion auf neue Ereignisse  erst einmal zu beobachten und zu schauen, in welche Richtung sich die öffentliche Meinung entwickelt. Insofern ist es sogar denkbar, daß sie selbst einen Versuchsballon hat starten lassen, um die Reaktion zu testen. Empörung ist ihr jedenfalls nicht entgegengeschlagen  – eher Bewunderung für die Aussicht auf noch höhere Weihen.

Jeder kennt die Binsenweisheit, daß man gehen sollte, wenn es am schönsten ist.  Merkel will sich auf keinen Fall in der Bundestagswahl 2017 abwählen lassen. Wenn sie einem Nachfolger aus der Union eine Chance für einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf einräumen will, dann muß sie ihm eine angemessene Vorlaufzeit gewähren, also einen Wechsel in 2015, spätestens 2016, vollziehen.

Warum muß Merkel befürchten, daß die Bundestagswahl 2017 gefährlich für sie werden wird? Der Grund liegt darin, daß sich alle großen Projekte, die mit der Politik von Merkel identifiziert werden, als Fehlschläge herausstellen werden. Die gegenwärtige hohe Zustimmungsquote in der Bevölkerung beruht ausschließlich darauf, daß die Bürger die Folgen der Merkel´schen Politik noch nicht in ihrem Portemonnaie spüren.

Fangen wir bei der sog. Euro-Rettungspolitik an. Die strukturellen Probleme sind allesamt nicht gelöst. Deutschland wurden ungeheure Haftungsrisiken aufgebürdet und damit Zeit gewonnen. Nichts deutet in den wichtigsten Krisenländern darauf hin, daß diese Zeit für Reformen genutzt wird. Es ist deshalb absehbar, daß die Bürger den an Dynamik gewinnenden Vermögenstransfer in Richtung Krisenstaaten in ihrem eigenen Lebensstandard spüren und der Politik von Merkel anlasten werden.

Das Gleiche gilt für die Energiepolitik. Auch hier wird immer deutlicher, daß die chaotische Energiewende mit ihren unkalkulierbar steigenden Strompreisen eine Gefahr für den Industriestandort Deutschland darstellt. Der Verlust von Arbeitsplätzen in ganzen Industriezweigen würde noch schneller die Stimmung kippen lassen als die weiter steigenden Stromkosten für Privathaushalte.

Schließlich ist das demographische Problem weiterhin nicht nur ungelöst, sondern durch Wahlgeschenke wie die Rente mit 63, die Mütterrente oder die Pflegereform nur noch weiter verschärft. In wenigen Jahren wird sich zeigen, daß das alles bezahlt werden muß.

Merkel muß also zu Recht befürchten, daß ihr demnächst die Konsequenzen einer auf Kurzfristerfolg und Augenwischerei angelegten Politik angelastet werden. Ein rechtzeitiger Abgang, noch dazu verbunden mit einem Aufstieg in internationale Ämter, würde ihr ermöglichen, das absehbare Desaster ihrem Nachfolger  – aus der eigenen Partei oder einer anderen – in die Schuhe zu schieben. Merkel ist schlau genug, diese persönliche Chance zu nutzen.

Eines bewirkt die Nachfolgediskussion allerdings bereits jetzt: Eine Kanzlerin auf Abruf verliert an Macht. In Merkels Umgebung braucht man nur noch abzuwarten Und es beginnen die internen Diadochenkämpfe.